Interview mit Prof. Sander: Finanzierung von freier Software


Prof. Sander demonstriert seine Liste bisher gefixter Bugs

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Universitäten und Fachhochschulen profitieren in den Bereichen Lehre, Forschung und Verwaltung auf vielfältige Weise von freier Software. So können nicht nur Anpassungen vorgenommen und genutzte Software erweitert werden, auch bieten offene Programmierumgebungen, Dateiformate und Frameworks eine nachhaltige Grundlage für den alltäglichen Gebrauch und die Ausbildung. Verwaltungseinrichtungen haben beispielsweise ein Interesse daran, dass Dateiformate zur Archivierung und zum Austausch nicht Gefahr laufen irgendwann nicht mehr lesbar zu sein. Genauso haben Forschende ein großes Interesse an freien Lizenzen, um geschriebene Software weiter- und wiederverwenden zu können.

Allerdings hat der Einsatz von freier Software im beruflichen Umfeld einen Haken: die kontinuierliche Weiterentwicklung und das Fixen von Bugs wird all zu oft noch von Freiwilligen neben ihrer eigentlichen Beschäftigung betrieben. Das kann z. B. bedeuten, dass Probleme länger nicht behoben werden und so die Stabilität des Betriebs gefährden, sofern der Betrieb nicht selber Hand anlegt. Das heißt aber keineswegs, dass es nicht auch bereits positive Beispiele zur Lösung des Problems gibt: einerseits gibt es Firmen, z. B. Red Hat und die deutsche Nextcloud GmbH, die durch Support und Dienstleistungen den Einsatz von freier Software auch für Firmen attraktiv machen. Andererseits werden Plattformen wie Patreon dazu genutzt, einzelne Programmierer oder kleine Teams mit monatlichen Beiträgen zu unterstützen.

Wie wir im Gespräch mit Prof. Sander erfahren durften, gibt es aber noch einen dritten, sehr vielversprechenden Finanzierungsansatz, mit dem die Entwicklung von freier Software unterstützt werden kann. Wir geben euch nun eine kurze Einleitung zum Gespräch, gefolgt vom ganzen Interview!

Prof. Oliver Sander hat den Lehrstuhl für die Numerik partieller Differentialgleichungen an der TU Dresden inne. Spätestens während seiner Promotionszeit hat ihn die „starke Freie-Software-Kultur“ der Mathematik-Community entsprechend geprägt. Aber wie das nun mal so ist: aus der Anwendung erwachsen Wünsche. Konkretes Beispiel: Wieso kann der PDF-Betrachter Okular keine eingebetteten Videos abspielen? Es soll Fälle geben, bei denen sich Linux-Nutzende für Konferenzvorträge eine parallele Windows-Installation vorhalten, nur für diesen Zweck – ein sehr lästiges Ärgernis!

Es entstand die Idee, das ihm zur Verfügung stehende Budget nicht wie sonst üblich für proprietäre Lizenzen einzusetzen, sondern die Entwicklung von Features in existierender freier Software gezielt zu finanzieren. „Als ich dann meine erste Stelle mit ein bisschen Budget hatte habe ich mir überlegt, 'Ich habe dieses Budget um mir Sachen zu kaufen, die ich für die Arbeit brauche. Da könnte ich ja mal jemanden fragen, ob er für Geld das Problem beheben will.'“ Gedacht, getan. Der Auftrag zur Programmierung des Features ging an eine externe Firma, die Bezahlung lief über die Budgetabrechnung des eigenen Lehrstuhls.

Und eines muss dabei ganz besonders betont werden: die entwickelten Features und ausgebesserten Bugs in freier Software stehen für alle Nutzenden öffentlich zur Verfügung. „Man kann dafür mit diesen Firmen aushandeln, was mit den Patches passieren soll. Und unsere Vereinbarung war, dass die erstellten Patches zum offiziellen Code-Repository hinzugefügt werden.“, so Prof. Sander.

Auch für LibreOffice nutzte Prof. Sander einen ähnlichen Ansatz. Hier zeigten sich im universitären Alltag Hindernisse bei der Verwendung für Verwaltung und Dokumentenerstellung. Besonders die Arbeit mit der offiziellen Briefvorlage der TU stieß immer wieder auf Kompatibilitätsprobleme, die bei der parallelen Nutzung von LibreOffice und Microsoft Office auftreten können. Die Lösung: nach Sammlung von auftretenden Fehlern wurde auch hier ein Auftrag zur Behebung einer ganzen Liste von Bugs angestoßen. Diesmal jedoch sogar finanziert aus vier getrennten Budgettöpfen – eine Möglichkeit, die uns erst überraschte, aber umso mehr erfreute. Schließlich landeten auch diese Bugfixes im offiziellen Softwarepaket, frei verfügbar für alle.

Ein weiteres Thema unseres Gesprächs war die Abhängigkeit von Software-Herstellern. Die von Prof. Sander verfolgte Strategie, Firmen mit spezifischen Aufträgen zur Verbesserung von frei verfügbarer Software zu versorgen, erzeugt nämlich keine direkte Abhängigkeit von einer Firma. Diese Abhängigkeit ist z. B. bei der Diskussion um den Rahmenvertrag mit Microsoft und den Einsatz von Exchange als E-Mailserver an der TU Dresden immer wieder ein Thema. „So lange der Landesvertrag mit Microsoft existiert, wird ein Großteil der Leute nicht ernsthaft über ein freies Office nachdenken. Wozu? Funktioniert doch. Muss man Microsoft auch lassen, es funktioniert ja“. Dies betrifft auch Softwarepakete wie MATLAB, SPSS und die Adobe Produktreihe.

Es ist an dieser Stelle unser Ziel eine breitere Diskussion anzuregen. Kritisieren wir als FSFW beispielsweise den Zwang, in der Lehre Aufgaben mit proprietären Programmen lösen zu müssen, suchen wir vor allem einen Kompromiss. „Ich kann den Leuten auch nicht verkopften Elfenbeinquatsch beibringen, das würde ihnen nichts bringen. Es muss irgendwo ein Kompromiss her und das Argument, die Studierenden müssten auch etwas praktisches lernen, hat eine gewisse Berechtigung.“, gab auch Prof. Sander dazu zu bedenken. Wir schließen uns dem an und möchten als Motivation zum Lesen des ganzen Interviews mit einem Zitat schließen: „Ich glaube es gibt so einen mentalen Hinderungsgrund – den meisten Leuten scheint gar nicht klar zu sein, dass man tatsächlich etwas bewegen kann, wenn man es wirklich will. Dass, wenn einen etwas an einer Software stört und man bereit ist ein bisschen Geld zu investieren, man Probleme beheben und Features hinzufügen kann. Wenn ich das den Leuten erzähle, sind viele immer erst mal überrascht.“

Übrigens: am 24. Mai 2018 erschien bei der OSB-Alliance der Artikel „OSB Alliance meldet erneut erfolgreiches Crowdfunding von LibreOffice-Verbesserungen“, in dem auch Prof. Sander Stellungnahme gab!

Das Interview

FSFW Dresden: Warum setzen Sie sich für freie Software ein und was ist bisher konkret gelaufen?

Prof. Oliver Sander: Da bin ich so ein bisschen rein gerutscht. Ich habe in einem Fachbereich promoviert, in dem quasi nur Debian eingesetzt wurde und gesehen, dass Debian im Prinzip tut was es soll. Ich merke an mir selbst, dass ich, immer wenn ich andere Betriebssysteme und Software nutze, diese kleinen Marketingtricks bzw. Designentscheidungen – „Antifeatures“ nennt man diese glaube ich – sehe. Die stören mich! Zum Beispiel, dass man bei Microsoft-Produkten immer wieder einen Account anlegen und sich einloggen soll, obwohl das die Sache eigentlich nicht erfordert. Die sonstigen Gründe, die für freie Software sprechen, sind Gründe die Sie alle kennen.

Auch habe ich selber schon relativ viel programmiert und programmiere auch jetzt ab und zu noch. Programmieren macht Spaß und ich finde es hilfreich, wenn ich bei quelloffenen Programmen hinter die Kulissen schauen kann – auch wenn ich das in den meisten Fällen nicht mache. Aber es zumindest zu können ist für mich eine persönliche Motivation. Die ganze Mathematik hat sowieso eine relativ starke Freie Software-Kultur. Hier im Gebäude z. B. nutzen an die 70% der Menschen Linux-Installationen – und das ist deutschlandweit so! Im Ausland ist der Anteil geringer, aber das weiß ich nicht genau. Insgesamt war mein Einsatz für freie Software also gar nicht so sehr eine bewusste Entscheidung, da wir sowieso alle in dieser kleinen Community sind.

FSFW: Das eine ist die Nutzung von freier Software und das Hegen von Sympathie. Das andere ist dann auch den Schritt zu machen und sich aktiv für die Weiterentwicklung und Verbreitung einzusetzen. Damit verbunden die Frage: was genau ist in den letzten Jahren unter Ihrer Initiative gelaufen?

OS: Wenn man freie Software benutzt merkt man sehr schnell, dass Sachen nicht gehen – obwohl sie eigentlich gehen müssten! Für mich war ein Ereignis die Initialzündung: alle Mathematik-Wissenschaftler hatten sowohl Linux, als auch eine Windows-Installation auf ihren Laptops. Warum? Wenn sie auf eine Konferenz gefahren sind und Vorträge hielten, wollten sie mit PDF-Folien präsentieren. Das geht natürlich auch unter Linux. Was aber nicht ging sind eingebettete Filme in PDF-Folien. Die sind zwar im PDF-Format vorgegeben, man konnte sie auch einbinden, unter Linux jedoch nicht abspielen. Darum haben alle immer kurz vor ihrer Präsentation Windows gebootet und sind dann damit aufgetreten. Nur deswegen eine Windows-Installation mit mir rumzuschleppen ist anstrengend.

Als ich dann meine erste Stelle mit ein bisschen Budget hatte habe ich mir überlegt, „Ich habe dieses Budget um mir Sachen zu kaufen, die ich für die Arbeit brauche. Da könnte ich ja mal jemanden fragen, ob er für Geld das Problem beheben will.“ Ich habe mich dann kundig gemacht – das sind im Endeffekt nur ein paar E-Mails und Anrufe – und eine Firma gefunden. Die meinten, sie implementieren mir die Abspiel-Funktion in Okular! Zwar schluckt man kurz, wenn man das erste Mal die Preise hört – aber dann informiert man sich und es wird klar, dass die angebotenen Preise normale Preise in der Softwareentwicklung sind. Für einen Privatmann klingen 5000 € erst mal nach wahnsinnig viel Geld, aber wenn man jetzt eine Institution im Rücken hat… Wenn die Ingenieure nun Maschinen für sechsstellige Beträge anschaffen, warum soll ich dann nicht mal 5000 € für so ein Feature ausgeben?

Das habe ich dann gemacht. Wenn man als Junior-Professor angestellt ist und die Universität wechselt, hat man meist Budget übrig – dieses habe ich dann vor dem Wechsel noch eingesetzt, um ein paar Fixes und Features für Okular zu kaufen.

Firmen patchen, alle profitieren

FSFW: Damit wir das richtig verstehen: die Entwicklungen, die Sie für Okular in Auftrag gegeben haben – die sind jetzt für die Allgemeinheit verfügbar?

OS: Die waren sofort im Git master, ja! Man kann dafür mit diesen Firmen aushandeln, was mit den Patches passieren soll. Und unsere Vereinbarung war, dass die erstellten Patches zum offiziellen Code-Repository hinzugefügt werden.

FSFW: Hat die Firma sich darauf spezialisiert, solche Patches zu machen? Oder war das ein gewöhnlicher Entwicklungsauftrag?

OS: Das war KDAB, eine Firma, die sonst Qt-Consulting anbieten. Eigentlich eine schwedische Firma, hat jedoch international fünf oder sechs Büros – unter anderem auch in Berlin. Der Entwickler, der das Feature letztlich umgesetzt hat, wohnt sogar in Dresden! Wir haben uns später auch mal getroffen. Jedenfalls lernte ich dann: das geht! Und es ist nicht so aufwendig, wenn man es möchte. Insbesondere gab es von Seite der Universitätsverwaltung keine Einwände.

FSFW: Das beantwortet jetzt schon die nächste Frage: gibt es irgendwelche Hürden oder Vorbehalte, auf die man bei Kollegen oder Verwaltungsstrukturen trifft? Ist der Antrag anders? Oder ist so ein Auftrag wie die Beschaffung eines Druckers?

OS: Das ist wie die Beschaffung eines Druckers. Man könnte sich noch andere Möglichkeiten zur Unterstützung von freier Software überlegen, aber die lassen sich nicht alle umsetzen. Ich weiß z. B., dass das ZIH darüber nachgedacht hatte, an Freie-Software-Projekte zu spenden. Das macht aber die Verwaltung nicht mit – was ich auch irgendwie nachvollziehen kann. Geld für „irgendwas“ einfach zu geben ist ein bisschen wolkig.

Diese Firmen, die Libre-Office-Consulting machen, bieten beispielsweise auch Mentoring an. In meinem Institut gibt es einen Doktoranden, der Spaß daran hat, an LibreOffice zu programmieren und in diesem Zuge auch schon einiges gemacht hat. Aber das wird im Laufe der Entwicklung beliebig schwerer. Die Firmen bieten dann an, dass die Profis aus deren Firmen gegen einen Obolus externe Entwickler betreuen. Das ist einerseits gut, weil man direkt jemanden als Ansprechpartner hat und andererseits auch billiger, da man nicht die Firma für die eigentliche Programmierarbeit bezahlen muss. Aber das könnte ich der Uni-Verwaltung wohl nicht verkaufen. An dieser Stelle mutmaße ich aber. Das Argument jedoch, ein konkretes Feature zu brauchen und dann den Bugfix einzukaufen – das war nie ein Problem.

FSFW: Macht es denn einen Unterschied, ob das jemand freiberuflich macht oder ob es eine Firma fixt?

OS: Bisher habe ich nur mit Firmen zusammengearbeitet. Ich könnte mir vorstellen, dass Freiberufler im Vergleich zu Firmen – bei denen man gewisse Qualität und rechtliche Absicherungen hat – sich irgendwie legitimieren müssten. Alternativ kann man jedoch auch mit Werkverträgen arbeiten. Das heißt, es gibt einen klaren Auftrag der geliefert werden muss und das Risiko liegt vorrangig beim Entwickler – wenn er nicht liefert, kriegt er kein Geld.

FSFW: Sie hatten erwähnt, dass neben Okular auch für LibreOffice Dinge entwickelt worden sind. War das danach? Oder lief das parallel?

OS: Das kam danach. Ich bin vor drei Jahren in diese Fakultät gekommen. Es gibt hier ein Mathe-internes Gremium, die AG Rechentechnik, welches sich alle sechs Monate trifft und zum Ziel hat, IT-Fragen zu besprechen. Daran nimmt je eine Person von jedem Institut teil. Kurze Zeit später war ich neuer Vorsitzender dieses Gremiums… Bei meiner ersten Sitzung stellte sich heraus, dass in der Fakultät eigentlich alle freie Software ganz toll finden – nur, dass man diese Präferenz richtig kanalisieren muss. Beispielsweise könnte man das Budget des Gremiums ebenfalls nutzen. Das ist nicht groß, und eigentlich für andere Sachen gedacht, aber kleine Geldbeträge wären auch dort übrig.

Und einer aus diesem Gremium, Jan Rudl, ist Referent unseres Dekans. Er meinte, er würde sein Windows gerne zu einem Linux machen, aber es ginge nicht, weil Microsoft Office in der Verwaltung nicht zu ersetzen wäre. Das war eine gute Gelegenheit und ich habe ihn daraufhin gebeten mir zu sagen, was ihn konkret am Umstieg von Windows auf Linux abhalten würde. Nach zwei Stunden kam dann eine Mail mit der TU Briefvorlage in LibreOffice mit Anmerkungen – „Zeile verrutscht“, „Symbol falsch“, „Umbruch komisch“ etc. Damit wurden die Probleme konkret. Seit dem versuche ich, genau diese Bugs in LibreOffice zu fixen und die erkannten Probleme loszuwerden.

Dann kam ich in Kontakt mit Karl Leo, welcher sich darüber ärgerte, dass bestimmte Arten von Bildern nicht angezeigt würden. Wir haben dann gemeinsam Geld zusammengekratzt – insgesamt aus vier Budgets – und haben einen Auftrag an eine Hamburger Firma gestellt, welcher die Bugfixes in dieser Briefvorlage betraf.

Finanzierung aus mehreren Budgets

FSFW: Und das ging so als Sammelauftrag, mit Geld aus mehreren Töpfen?

OS: Ja, das war kein Problem. Man sagt dann der Beschaffungsstelle einfach die Kostenstellennummern mit ihren jeweiligen Anteilen.

FSFW: Würde das auch Universitäts-übergreifend funktionieren? Z. B. wenn die Uni Jena und die TU Berlin vor den gleichen Probleme stehen und dann noch mehr zusammen kommt?

OS: Sie bräuchten auf jeden Fall jemanden, der das dann organisiert – aber dann würde man das verwaltungstechnisch umgesetzt kriegen.

[Anmerkung: unsere Überlegung dazu ist, dass die Situation wie sie an der TU Dresden vorzufinden ist – dass es einerseits viel Zuspruch zu freier Software und andererseits auch eine ganze Reihe von prinzipiell behebbaren Missständen gibt – auch überall sonst vorzufinden sein muss. Dresden macht in diesem Kontext wenig besonderes. Außerdem könnten Universitäten Gefahr laufen, dass ohne Absprache jede Uni für sich ihre eigene Suppe kocht. Die optimale Lösung für alle wäre demnach wohl, wenn gemeinsam in Patches investiert wird und diese dann im Produkt eingebaut werden.]

Die TU-Briefvorlage

FSFW: Wie ist der aktuelle Stand? Sind schon Bugs gefixt? Ist schon Geld geflossen?

OS: Da sind Bugs gefixt, da ist Geld geflossen. Es gab später noch einen zweiten Auftrag, da der erste sich als schwierig gestaltete. Man kann einen solchen Auftrag auf zwei Arten gestalten: entweder man kauft eine gewisse Anzahl Entwicklerstunden und hofft, dass die Entwickler es in dieser Zeit hinkriegen, oder es gibt einen Festpreis für den Bug. Es stellte sich dann heraus, dass der Bug jedoch so schwer zu beheben war, dass es die Firma in der intern einkalkulierten Zeit die Behebung nicht umgesetzt bekam. Der Bug ist deshalb bisher noch ungefixt. Und dann kam im Februar die neue TU-Briefvorlage heraus. Die ist ein bisschen überarbeitet und die proprietäre Schrift ist durch eine freie ersetzt worden. Diese war dann erst mal wichtiger, als Bugs in der alten Briefvorlage weiter beheben zu lassen.

FSFW: Glauben Sie, es wäre im Sinne des Hochschulmarketings interessant mal an einer Stelle eine Liste von Fixes zu sammeln? Sprich: „Die TU ist verantwortlich für die Fehlerbehebung in bundesweit genutzter Software“?

OS: Das kann sicher nicht schaden. Ich habe da so eine Tabelle mit ca. 10-15 Bugs. Man muss auch anmerken, dass die Dame vom Corporate Design für freie Formate sehr aufgeschlossen ist. Alles was in der Uni als Poster erstellt wird gibt es auch in SVG und für Scribus.

FSFW: Alles, was Sie bisher genannt haben, könnte ja so auch in kommerziellem Umfeld zu finden sein. Gibt es Eigenschaften freier Software die im akademischen Bereich besonders zum Tragen kommen? Und die Bugs, die Sie bisher angefasst haben, haben die mit den besonderen Anforderungen des akademischen Bereichs zu tun? Oder ging es mehr um die Verwaltungsebene?

OS: Bei LibreOffice ging es ausschließlich um die Verwaltungsebene. Das waren alles Docx-Kompatibilitätsfixes, die sich wiederholend als große Probleme zeigen. Warum nehmen Leute kein LibreOffice? Docx-Inkompatibilität – alles andere ist egal. Also in dem Umfeld, in dem ich mich zu diesem Thema austausche, war das bisher das einzige Problem.

FSFW: Vielleicht lohnt es sich, an der Stelle einzustreuen: liegt es daran, dass die Leute, die LibreOffice entwickeln, keine Ahnung haben oder hat das auch tiefere Gründe?

OS: Das hat meiner Ansicht nach zwei Gründe. Zum einen haben die LibreOffice-Entwickler einfach einen sehr alten Code geerbt, eine monströs große Codebasis, 20 Jahre alt. Und: Docx ist einfach ein schreckliches Format. Wenn Sie sich die Dokumentation durchlesen… – das sind circa 6000 Seiten, was selbst für ein Dokumentenformat sehr viel ist. Und alles, was Microsoft in den letzten 25 Jahren an Formaten verwendet hat, steht irgendwo auf diesen 6000 Seiten. Ein Wust von Sonderfällen und Spezialfällen! Insgesamt sehr schwierig nachzuimplementieren.

Und diese Dokumentenvorlage, die die TU verwendet – ich glaube selbst jetzt, nachdem sie im Februar überarbeitet wurde – wurde nie neu erstellt. Die Vorlage ging bis in die 90er zurück, ist immer nur kopiert und ein bisschen geändert worden. Dadurch trifft das Ding halt im Laufe der Benutzung irgendwelche obskuren Spezialfälle. Insgesamt halte ich LibreOffice für eines der am besten organisierten Freie-Software-Projekte überhaupt. Okular, KDE und andere sind auch toll, aber das sind mehr ein paar Jungs, die gerne an Software basteln. Die Document Foundation scheint hingegen sehr professionell organisiert zu sein. Und das ist auch im Unternehmens- und Uni-Einsatz sehr wichtig. Ich will ja nicht von einer Software abhängen, die irgendein Eintwickler alleine schreibt und wartet. Selbst wenn er es gut macht – vielleicht hat er morgen keine Lust mehr! Das Risiko ist sehr schwierig zu handhaben. Man braucht Planbarkeit, Zuverlässigkeit.

FSFW: Wobei da natürlich das Argument ist zu sagen, „wenigstens ist es freie Software“. Von der organisatorischen Struktur kann man bei diesem Punkt auf jeden Fall zustimmen, da es bei Firmen jemanden gibt, der sich verantwortlich fühlt und auch ein bisschen Druck hat, durch z. B. Kunden. Aber wenn das Problem jetzt bei einem proprietären Produkt auftritt wäre das noch schlimmer als bei einem frei lizenzierten und quelloffenen Produkt.

OS: Da haben Sie Recht. Aber wenn morgen die gesamte LibreOffice-Community weg ist, haben Sie im Prinzip zwar den Quellcode, aber de facto haben Sie trotzdem ein Problem, weil es einfach 20 Millionen Zeilen Code sind. Dass Microsoft oder die Community morgen verschwindet ist natürlich unwahrscheinlich. Aber wenn nur einer an einem Produkt arbeitet, dann ist die Wahrscheinlichkeit für dessen Verschwinden wesentlich größer. Das ist kein Argument gegen freie Software, jedoch muss die Problematik jedem bewusst sein.

FSFW: Mal allgemein gefragt: welche Bedingungen können aus Ihrer Sicht die Entwicklung von freier Software an der TU begünstigen oder hemmen? Wie könnten das andere noch mehr machen? Gibt es strukturelle Probleme, die vorher behoben werden müssten?

OS: So lange der Landesvertrag mit Microsoft existiert, wird ein Großteil der Leute nicht ernsthaft über ein freies Office nachdenken. Wozu? Funktioniert doch. Muss man Microsoft auch lassen, es funktioniert ja.

[Es entstand eine kurze Diskussion über Budgets, den Verlauf der Migration zum Exchange E-Mail-Server im ZIH und dessen Features.]

FSFW: Wenn es nun darum geht, dass mehrere Institutionen an dem Punkt sind, an dem sie gerne eine freie Lösung hätten – z. B. auch wegen Bedenken hinsichtlich der Datensicherheit bei Microsoft-Produkten –, aber nicht hinter das technische Niveau von Outlook und Exchange zurück fallen wollen; dann wäre die Frage, ob man Budget akquirieren könnte, um die freien Lösungen auf ein professionelleres Niveau zu heben. Das wäre sicher ein größeres Kaliber als bestimmte Bugs in LibreOffice zu fixen, aber von der Mechanik müsste es genauso funktionieren.

OS: Das müsste von der Mechanik genauso funktionieren, ja. Dieses Vorhaben wäre mir selbst aber zu groß, denn es klingt wie ein Ganz-oder-gar-nicht-Ding. Für so etwas wie Exchange gibt es eine zentrale Installation, entweder die gibt es also als „freies“ Exchange oder nicht – und so lange die freie Version nicht merklich besser ist als Exchange wird das ZIH diese auch nicht installieren. Bis es merklich besser wird müsste man viel Geld rein stecken. Bei Office kann man scheibchenweise mal hier einen Bug, mal dort einen Bug fixen. Insgesamt geht das sicherlich, aber ich halte es in der praktischen Umsetzung für deutlich schwieriger. Persönlich halte ich die Exchange-Diskussion für gegessen – sollen sie halt Exchange nehmen.

Lehre

FSFW: Ein Punkt den wir noch nicht hatten betrifft Studierende: Wie sehen Sie die Verwendung von proprietärer Software in der Lehre? Spielt das in der Mathematik eine Rolle? Wie ist Ihre allgemeine Haltung dazu?

OS: Dies spielt in der Mathematik keine große Rolle, da wir wenig kommerzielle Software in der Lehre verwenden. Es gibt MATLAB, was bei uns genutzt wird und installiert ist. Aber solche Produkte haben nicht so eine Dominanz wie es in anderen Fachbereichen vorkommt. Es gibt sehr viele Leute die MATLAB nehmen, aber es gibt auch Alternativen zu MATLAB. Ich persönlich bin kein Freund dieser Sprache, verwende es daher nicht so gerne, würde MATLAB aber auch nicht verteufeln. Auch proprietäre Software kann gute Software sein – und MATLAB ist einfach eine gute Software.

Außerdem wird MATLAB auch in der Wirtschaft verwendet. Und irgendwo haben wir auch eine Verpflichtung, den Leuten zumindest bis zu einem gewissen Grad die Anwendung von Software beizubringen, die sie hinterher auch brauchen. Zum Ausgleich weisen wir darauf hin, dass stattdessen auch Octave verwendet werden kann. Persönlich benutze ich in der Regel lieber Python als MATLAB – das hat aber keine „frei versus unfrei“-Gründe, sondern ich finde die Sprache an sich attraktiver. In der Mathematik wird ohnehin viel freie Software verwendet.

FSFW: Das Argument, es gäbe diese Verpflichtung, Studierende bis zu einem gewissen Grad an Software für die Wirtschaft auszubilden – das ist ein bisschen auch eine selbst-erfüllende Prophezeiung.

OS: Ja, ich weiß. Daher auch das „bis zu einem gewissen Grad“. Ich kann den Leuten auch nicht verkopften Elfenbeinquatsch beibringen, das würde ihnen nichts bringen. Es muss irgendwo ein Kompromiss her und das Argument, die Studierenden müssten auch etwas praktisches lernen, hat eine gewisse Berechtigung. Die Wahrheit zwischen diesem Argument und Ihrem liegt irgendwo dazwischen.

FSFW: Findet das in der Praxis dann so statt, dass man die Produktgruppe nennt und dann sagt „wir machen das jetzt am Beispiel von…“? Oder werden zwei verschiedene Programme genommen? Was sind da die Kriterien? Oder entscheidet die Vorliebe der Dozierenden?

OS: Es entscheidet oft die Vorliebe des Dozenten, da es sonst meist zu aufwendig ist. Man stellt wöchentlich Übungsaufgaben, die in einer Programmiersprache gemacht werden müssen. Man legt sich dann auf eine fest, da man sonst die Übungsaufgaben in drei verschiedenen Sprachen zurück kriegt – und das muss letztlich auch jemand korrigieren! Was wir sagen, ist: „MATLAB oder eine freie Re-Implementierung, z. B. Octave“. Diese beiden Alternativen sind quasi ersetzbar. Was an MATLAB nach meinem Verständnis extrem gut ist, sind die zahlreichen Erweiterungstoolboxen, die es in Octave nicht gibt. Aber auf dem Niveau, wie MATLAB hier in der Lehre eingesetzt wird, brauchen wir diese sowieso nicht. Von daher ist das relativ egal.

FSFW: Was ist mit z. B. SPSS?

OS: Das betrifft mehr die Statistiker, da habe ich selber wenig Kontakt mit.

Strukturelle Hindernisse

OS: Noch zu dem Punkt der strukturellen Hindernisse. Ich glaube es gibt so einen mentalen Hinderungsgrund – den meisten Leuten scheint gar nicht klar zu sein, dass man tatsächlich etwas bewegen kann, wenn man es wirklich will. Dass, wenn einen etwas an einer Software stört und man bereit ist ein bisschen Geld zu investieren, man Probleme beheben und Features hinzufügen kann. Wenn ich das den Leuten erzähle, sind viele immer erst mal überrascht.

FSFW: Wir waren auch überrascht, dass das an der TU irgendwo so läuft.

OS: Sie waren überrascht, dass es jemand macht. Aber Sie wussten wenigstens, dass es geht.

FSFW: Dass es prinzipiell geht, ja. Aber wir kennen uns mit der Zweckgebundenheit von Mitteln nicht aus und es kommt ja auch darauf an, wofür die Mittel ursprünglich mal beantragt wurden. Es hätte z. B. sein können, dass das Budget der bereits angesprochenen AG Rechentechnik an die Anschaffung von Hardware gebunden wäre – das hätte uns nicht unbedingt überrascht. Aber offensichtlich ist es nicht so. Das heißt, die Freiräume die man hat, die muss man erkennen und nutzen.

OS: Diese Freiräume werden aktuell sogar eher noch größer. Es gibt jetzt die Globalhaushalte, und auf Fakultäts- und Bereichsebene die Sachmittelbudgets – von denen man Sachmittel kaufen kann. Ein Bugfix ist auch ein Sachmittel, genauso wie eine Tafel. Wenn man also die entsprechenden Gremien davon überzeugt, dann geht das!

FSFW: Wären neue Features in Software die gleiche Kategorie?

OS: Neue Features sind die gleiche Kategorie. Beispiel: Herr Knüpfer vom ZIH meinte, dass ein wichtiges fehlendes Feature wäre, richtig PDFs signieren zu können. Dafür habe ich mal ein Angebot eingeholt. Das Geld zur Umsetzung war beim ZIH da und sie wollten die Umsetzung in Auftrag geben. Das ist jedoch Stand von vor ein paar Wochen – was daraus geworden ist, da muss ich nochmal nachhaken.

Gerade läuft auch Google Summer of Code. Ein Projekt dabei ist, zur Verifikation überhaupt Signaturen ordentlich anzuzeigen. Dass das ein Projekt geworden ist, ist kein Zufall – dort kann jeder Projekte vorschlagen, deren Durchführung von Google finanziert wird. An Okular rumzuschrauben ist weniger aufwendig als die Programmierung von LibreOffice – jeder der C++ kann und ein wenig Zeit hat kriegt dort etwas umgesetzt. Das hat irgendwann meinen eigenen Spieltrieb gereizt und ich habe selber angefangen daran rumzubasteln und kenne daher ich auch die Entwickler. Einmal im Jahr kommt die Frage, „machen wir beim Google Summer of Code mit?“ und es heißt „ja, aber es müsste jemand Projekte schreiben!“ – und da schrieb ich halt ein Projekt. Das ist ein kleiner Text, geht ganz schnell, ist nicht viel Arbeit. Es gibt da einen Deutschen, der ist wohl ziemlich kompetent, der jetzt sogar Mentor im Projekt geworden ist. Wir mussten ihn zwar davon überzeugen, aber er macht seinen Job super gut. Auch in solchen Fällen reichen ein paar E-Mails.

Der Ruf von freier Software

FSFW: Wie sehen Sie die Popularität von freier Software unter den Studierenden, mit denen Sie zu tun haben? Ist das ein Thema? Nimmt es eher ab?

OS: Das kann ich nicht so richtig beurteilen, so viel Kontakt habe ich leider nicht zu Studierenden. Ich sehe sie in Vorlesungen oder rede mit ihnen bei Abschlussarbeiten. Oder ich sehe Leute mit Computern rumsitzen, wohl auch mit Windows-Installationen. Die Fachschaft findet meine Bugfixes wohl toll, aber wie weit die Fachschaft bei diesem Thema tatsächlich die Studierenden repräsentiert weiß ich nicht.

FSFW: Ist bei den Abschlussarbeiten, die Sie erwähnt haben, die Wahl der Lizenz bei Programmierleistungen ein Thema? Bzw. die Weiterverwendung ihrer Arbeiten?

OS: Wenn in den Masterarbeiten etwas geschrieben wird, was später weiter verwendet wird, dann ist das in meiner Forschung eine Erweiterung oder ein Plugin von einem bestimmten Forschungscode mit dem ich mich seit etwa zehn Jahren mit einer – größtenteils aus dem deutschsprachigen Raum – Gruppe beschäftige. Dieser Code steht sowieso unter einer freien Lizenz, d.h. alles was dort hochgeladen wird ist automatisch LGPL3. Wir sind aber auch nicht die Pharmazie oder ähnlich, bei deren Forschung es möglicherweise um Erfindungen geht, von denen Menschen potentiell reich werden können. Bei mir am Institut kommt es eher vor, dass Ingenieursbüros bzgl. einer Zusammenarbeit anfragen. In solchen Fällen muss man verhandeln, denn wenn Firmen im Spiel sind ist das Thema geistiges Eigentum nochmal eine ganz andere Sache.

Ein Aspekt, der vielleicht bedenkenswert ist: Okular kann viele tolle Sachen, hat aber auch viele Schwächen. Es kann jedoch deutlich mehr als die kostenlosen Alternativen unter Windows. Wenn man also den Schritt macht und sagt, durch die Verwendung von Okular könnte der Adobe Reader ersetzt werden, kann man diese Lizenz von Adobe auch sparen. Dafür gibt es nämlich keine Sammellizenz, so weit ich weiß.

FSFW: Dazu könnte man mal evaluieren, wie viel Geld in solche Lizenzen fließt – für Features die eigentlich auch frei verfügbar sind.

OS: Diese Migration muss man aber vorsichtig ausprobieren. Dazu müsste man jemandem, der motiviert ist, ein freies Pendant in die Hand drücken und sagen „evaluier mal und sag, was alles schief geht“. Wenn man bereits zu Anfang zuvielen Leuten eine Alternative gibt und es geht dann irgendwas schief, hat man schnell die öffentliche Meinung, die Software sei unbrauchbar – und dann ist die Sache tot.

FSFW: Nochmal zum Aspekt Studierende: schätzen Sie, dass Lehrende eine Vorbildfunktion einnehmen können in der Nutzung von freier Software? Wenn man ab und zu mal klar macht, dass man selber freie Software nutzt und das auch aus bestimmten wohl überlegten Gründen gut findet?

OS: Bis zu einem gewissen Grad wahrscheinlich schon, ja. Ich halte Vorlesungen im Maschinenbau – wer darauf achtet dem fällt auch auf, dass bei mir KDE läuft und nicht das, was sonst alle haben. Der ein oder andere wird das schon merken. Ab und zu bietet sich auch die Gelegenheit dazu explizit etwas zu sagen, in etwa „ich zeige Ihnen jetzt ein in Python geschriebenes Programm – Python ist übrigens freie Software, die Sie sich herunterladen können“. Aber das kann man auch nicht dauernd machen. Und in wie weit das auf die Studenten wirkt, das können Sie mir sicher besser erzählen als ich Ihnen.

[Austausch über Beispiele aus dem Studienalltag: Professor aus der Geoinformatik akzeptiert Aufgabenbearbeitung in mehreren Formaten, die Diskussion in der Fakultät Informatik zum Einsatz des „Industriestandard“ MagicDraw und der Zwang zur Abgabe von vorgeschriebenen Formaten bei Abschlussarbeiten.]

OS: Manche Leute denken vielleicht über Probleme, die auftreten, wenn man Software vorgeschrieben bekommt, aber auch gar nicht so wirklich nach – was auch Teil des Problems ist.

Fortsetzung des Projekts

FSFW: Eine letzte offene Frage auf unserem Zettel: gibt es Fortführungspläne? Es ist bisher einiges gelaufen in puncto Okular und LibreOffice. Ein paar Bugs sind gefixt, aber es sind auch noch viele offen.

OS: Ja klar! Ich muss halt sehen, dass ich Geld zusammenkriege. Ich habe z. B. wenig Kontakte in die Informatik. Gerüchtehalber gibt es auch dort viele Befürworter von freier Software. Wenn Sie ein paar Profs kennen, die vielleicht jeweils ein bisschen Geld übrig haben…

FSFW: Wenn es Software ist, die die Lehrstühle verwenden können, sind da bestimmt Optionen offen. Dazu gleich noch eine Anschlussfrage: gibt es noch andere Software, die Ihnen in diesem Kontext einfällt? Unabhängig von Verwaltung und Office – wir sprechen öfter über freie Kommunikationstools – gibt es da Nachfrage? Oder konkrete Abwägung, welche Software in der Team-Kommunikation eingesetzt wird?

OS: Bestimmt, aber ich kenne mich da nicht so sehr aus. Ich benutze persönlich den freien Jitsi-Server im Netz. Das funktioniert relativ gut, aber ich bin auch nicht so sehr der Power-User. Ich weiß beispielsweise nicht, was passiert, wenn man sich mit 12 Leuten unterhalten wollte und alles zusammenbricht. Aktuelles Beispiel war die Frage nach einer Einführung von Skype Business. Das ist wohl so ein klassisches Thema, bei dem ganz vielen Leuten gar nicht klar ist, was es an Alternativen gibt. Im Zweifel können Tools wie Skype tatsächlich auch irgendwas besser als andere, aber dazu kenne ich die Details nicht.

FSFW: Es gibt Bestrebungen zu diesem Thema mal ein Treffen für alle Interessierten einzuberufen. Jemand aus der Verwaltung ist an dem Kommunikationsthema dran – konkret auch im Hinblick auf freie Software – und sieht die Gefahr, dass mittelfristig so etwas wie Slack eingeführt wird. Und zwar einmal zentral ausgerollt, für alle. Weil immer mehr Leute so etwas wollen und weil nicht alle die Kompetenz und die Ressourcen dafür haben, sich selber Lösungen zu suchen. Deswegen wäre es natürlich gut, eine freie Lösung wie XMPP oder andere freie Standards in der Schublade zu haben. Das ZIH ist dort wohl prinzipiell für offen, aber es fehlt auch dort zum Teil an Features. Deshalb wäre das, was nun hier mit Okular und LibreOffice gelaufen ist, ein gutes Vorbild, um zu zeigen, dass Features und Bugs kein prinzipielles Problem sind. Dass, wenn Bereitschaft und Budget da sind, sich Probleme lösen lassen. Vor allem, weil für diese Tools die Nutzerbasis noch größer sein wird als ein paar Unis in Deutschland. Solche Tools will jede Firma benutzen, will jeder kleine Verein benutzen, um sich nicht von Online-Tools abhängig machen zu müssen.

OS: Es muss halt finanzierbar sein. Wenn man ein komplettes Entwicklerjahr braucht, um die Software auf einen einigermaßen benutzbaren Stand zu bringen, dann ist das auch für die TU nicht finanziell darstellbar.

FSFW: Das stimmt, aber wenn die potentielle Nutzerbasis so groß ist, dann kann man diese große Summe auch wieder auf viele Schultern verteilen. Es muss sich nur jemand den organisatorischen Hut aufsetzen. Und bis jetzt, bei den Projekten die Sie bisher organisiert haben, war das so überschaubar, dass man es nebenbei machen konnte, oder?

OS: Ja, darum habe ich mich gekümmert, ich hatte den Hut dafür auf. Ich würde mir aber nicht viel mehr Projekte wünschen, da ich mit dem Thema Dokumentenbearbeitung wohl genug ausgelastet bin. Bei diesem Thema ist wahrscheinlich das ZIH der richtigen Ansprechpartner, wenn rechtzeitig Alternativen ins Spiel gebracht werden sollen. Die Leute dort sind gegenüber freier Software deutlich aufgeschlossener, als man eigentlich erwarten würde.

Wir danken Prof. Sander für seine Zeit und sein Engagement!

Das Interview führten carsten, cookie, norman und wolf. Foto: Dominik Pataky, CC BY-SA 4.0