Die Ende 2014 gegründete Hochschulgruppe “Freie Software, Freies Wissen” (FSFW) beschäftigt sich mit den technischen sowie gesellschaftlichen Aspekten freier Software und freien Wissens an der Hochschule.
Neben unserem Ziel, themenspezifische Bildungsangebote mit Hilfe der Organisation von Vorträgen, Wissenssammlungen und Veranstaltungen bereitzustellen, hat sich die Gruppe auch zur Förderung von sicherer Kommunikation und der Nutzungsverbesserung von täglich im universitären Umfeld verwendeter Software, wie zum Beispiel LaTeX, ausgesprochen. Darüber hinaus bietet die Hochschulgruppe für bereits bestehende verteilte Initiativen eine Austauschplattform und Vermittlungsgelegenheit.
Ziel dieses Programmpapiers ist es, die grundlegenden Standpunkte der Hochschulgruppe vorzustellen. Dazu werden Problemfelder in Bezug auf die Nutzung von Software und der Zugänglichkeit von Wissen im Bereich der Dresdner Hochschulen beschrieben. Darauf aufbauend formulieren wir Thesen, wie freie Software und freie Lizenzen die beschriebenen Probleme lösen können und geben Vorschläge für konkrete Maßnahmen.
Die Kommunikation in unserem modernen Alltag wird mehr und mehr durch den Einsatz von Informationstechnologien bestimmt. Sei es der Rechner am Arbeitsplatz, das Tablet oder der Laptop zu Hause, oder das Smartphone, welches wir ständig mit uns herumtragen – wir verlassen uns zunehmend auf den Einsatz digitaler Hilfsmittel, um uns mit Anderen auszutauschen. Diese Entwicklung stellt eine der größten gesellschaftlichen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte dar.
Der Einsatz digitaler Kommunikationsmedien eröffnet neue und teils ungeahnte Möglichkeiten für die Entwicklung unserer Welt. Wir können mit Freunden Kontakt halten, die über große Entfernungen von uns getrennt leben, unsere Gedanken mit Gleichgesinnten auf der ganzen Welt teilen und diskutieren, und große Ideen gemeinsam verwirklichen: Die Entstehung der Wikipedia rückt den Traum vom für jeden frei verfügbaren Wissen in greifbare Nähe. Moderne Kommunikationsmittel ermöglichen damit eine Form von Gleichberechtigung, die vorher nicht denkbar war.
Die Digitalisierung der Kommunikation hat allerdings auch ein Ausmaß erreicht, die sie für viele unverzichtbar macht: Der Einsatz von Computern und die Recherche von Wissen ist essentieller Bestandteil ihres Lebens geworden. Wir sind abhängig geworden von den Technologien unserer Zeit.
Diese Abhängigkeiten schaffen Begehrlichkeiten, die einer freiheitlichen Entwicklung von Individuum und Gesellschaft entgegentreten können. Monopole auf Software und fragwürdige Lizenzmodelle für wissenschaftliche Ergebnisse erlauben es einzelnen Unternehmen, Machtpositionen aufzubauen, die sich einer effektiven Kontrolle entziehen. Staatliche Autoritäten werden aber nicht nur von Konzernen instrumentalisiert. Der Missbrauch der digitalisierten Kommunikation zur Überwachung des Einzelnen führt zu einer potentiellen Gefährdung der demokratischen Grundordnung. Diesen Entwicklungen muss wirksam entgegengetreten werden.
Für den Bereich der Hochschule – aber auch darüber hinaus – sehen wir als Hochschulgruppe den bevorzugten Einsatz von freier Software und die Verwendung von freien Lizenzmodellen als einen wirksamen ersten Schritt an. Freie Software bietet vier Grundrechte, welche wir für essentiell halten für den Schutz vor Missbrauch durch Abhängigkeit oder Manipulation: das Recht auf uneingeschränkte Verwendung, das Recht auf Einsicht in den Programmcode, das Recht auf Anpassung und das Recht auf Weitergabe. Offene Lizenzmodelle für öffentlich finanzierte wissenschaftliche Publikationen erlauben einen freien Zugang zu Wissen für jeden.
Wir sehen die Hochschulen als einen besonders wichtigen Bereich für die beschriebene Problematik an. An Hochschulen werden die gesellschaftlichen Entscheidungsträger folgender Generationen ausgebildet und eine Sensibilisierung für die Abhängigkeit unserer Gesellschaft von Software und Wissen halten wir für unverzichtbar. Darüber hinaus hat eine Hochschule, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzt, als ein großer Verwaltungsapparat des öffentlichen Rechts eine Vorbildwirkung für weitere öffentliche Einrichtungen, für die Privatwirtschaft und für die Gesellschaft im Ganzen.
Im Umgang mit Software und Wissen im Bereich der Hochschule sehen wir folgende Problemfelder.
An Hochschulen in Dresden wird oft proprietäre Software in Lehre und Forschung eingesetzt. Damit begeben sich die Hochschulen in die Abhängigkeit einzelner Firmen und unterstützen Monopole. Darüber hinaus geht die Verwendung proprietärer Software meist einher mit einer Ausbildung, die speziell auf die eingesetzten Programme ausgerichtet ist. Dies verschafft dem jeweiligen Anbieter einen wettbewerbsverzerrenden Vorteil, da die Studenten später dazu geneigt sein werden, die im Studium verwendete Software zu verwenden. Es entspricht auch nicht dem Lehrauftrag einer Hochschule, die Verwendung einer bestimmten Software zu vermitteln.
Ein mit diesem Problem Verwandtes ist die Bevorzugung proprietärer Dateiformate für die Speicherung von Dokumenten. Ein Beispiel ist die Verwendung von .doc- und .docx-Formaten, deren Spezifikation nur Microsoft vorliegt. Dies verstärkt die Machtposition der jeweiligen Hersteller, unter anderem auch dadurch, dass solche Formate oft mit Patenten verbunden sind.
Öffentlich geförderte Forschung ist in den seltensten Fällen der breiten Öffentlichkeit zugänglich. Ergebnisse von Forschungsprojekten, die zum Beispiel durch öffentliche Geldgeber wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) oder dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden, werden oft in Zeitschriften veröffentlicht, die keinen uneingeschränkten Zugang erlauben. Dafür werden die Autoren oder die Geldgeber allerdings nicht bezahlt. Im Gegenteil müssen sich öffentliche Einrichtungen, wie zum Beispiel die Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB), den Zugang zu diesen Zeitschriften bei den entsprechenden Verlagen wiederum mit öffentlichen Geldern erkaufen. Dass öffentlich finanzierte Forschung durch öffentliche Gelder wieder eingekauft werden muss, halten wir für paradox. Darüber hinaus halten wir das bisherige Engagement Dresdner Hochschulen, diesen Missstand zu beheben, für nicht zufriedenstellend.
Für die im vorherigen Abschnitt beschriebenen Problemfelder sehen wir in freier Software und frei lizenziertem Wissen einen sinnvollen und effektiven Lösungsansatz.
In unserer heutigen Gesellschaft sind elektronische Kommunikationsmedien unverzichtbar geworden. Umso wichtiger ist es, dass wir eine aufgeklärte digitale Gesellschaft schaffen, die diese Medien nicht nur aus Anwendersicht kennt, sondern auch um die prinzipielle Arbeitsweise als auch um die gesellschaftlichen Folgen bestimmter Technologien weiß. Durch die Verwendung von Software, deren Arbeitsweise nicht jedem ersichtlich ist, wird diese Bildung einer aufgeklärten digitalen Gesellschaft gehemmt.
Für unsere moderne Wissensgesellschaft ist aber auch ein ungehinderter Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen unabdingbar. Deswegen ist es wichtig, dass sich unsere Gesellschaft im Klaren darüber ist, dass dieser Zugang nur erreicht werden kann, wenn wissenschaftliche Arbeiten in einer Art und Weise lizenziert werden, die ungehinderten Zugang erlaubt.
Mit ihrem gesamtgesellschaftlichen und öffentlich finanzierten Bildungsauftrag müssen die Universitäten in diesem Bereich eine Vorreiterrolle einnehmen. Ein konsequenter Einsatz freier Software und eine nachhaltige Unterstützung freier Lizenzmodelle für wissenschaftliche Forschung sehen wir hier als einen unverzichtbaren ersten Schritt an.
Der breite Einsatz freier Software schützt außerdem vor Abhängigkeit gegenüber einzelnen kommerziellen Anbietern. Solch eine Abhängigkeit kann nur entstehen, wenn ein Anbieter exklusive Kontrolle über die genaue Arbeitsweise eines bestimmten Programms hat. Da freie Software nach Definition für jeden einsehbar ist, kann eine solche Abhängigkeit nicht auftreten. Statt also sowohl Programme als auch Support von einem einzelnen Anbieter einzukaufen, erlaubt die Verwendung freier Software den lizenzkostenfreien Einsatz der Programme, so dass lediglich Support für diese Programme eingekauft werden muss. Bei diesem Support besteht keine kommerzielle Abhängigkeit zu einem einzelnen Anbieter und es entsteht ein echter Wettbewerb. Darüber hinaus können auch kleine und mittelständische Unternehmen solch einen Support liefern, was die lokale Wirtschaft fördert. Durch die Einsehbarkeit der verwendeten Programme ist es schließlich auch Angehörigen der Hochschulen möglich, wichtige zeitkritische Änderungen eigenverantwortlich durchzuführen.
Auch in der Lehre erlaubt der Einsatz freier Software eine größere Wahlmöglichkeit. Lehrinhalte, die nur mit kommerzieller Software durchgeführt werden können, verleiten nicht nur die Studenten dazu, sich diese Software auf illegalen Wegen zu beschaffen. Diese Lehrinhalte sind auch konzeptuell an die Fähigkeiten der verwendeten Programme gebunden. Der Einsatz von freier Software hingegen erlaubt es, diese auch für die Lehre anzupassen und derart zu erweitern, dass neue Ideen in der Lehre unkompliziert umgesetzt werden können, ohne vom Hersteller abhängig zu sein. Damit dies jedoch effektiv umgesetzt werden kann, muss die Universität als Ganzes natürlich eine solche Weiterentwicklung freier Programme fördern.
Ein grundlegender Aspekt in der Verwendung computergestützter Infrastruktur ist die Sicherstellung der korrekten Arbeitsweise. Dies betrifft nicht nur die Tatsache, dass die Software leisten soll was von ihr erwartet wird. Es ist auch sicherzustellen, dass Software bestimmte Vorgaben einhält, wie zum Beispiel die des Datenschutzes und die einer sicheren Kommunikation. Dazu reicht es nicht aus, sich auf die Angaben der Hersteller zu verlassen. Im Gegenteil ist es notwendig, dass jeder Benutzer und jede Institution die Möglichkeit hat zu verstehen, wie die Software im Detail arbeitet. Dazu ist es aber notwendig, dass diese Arbeitsweise auch einsehbar ist und im Zweifelsfall bestimmte Funktionalitäten abgeändert werden können. Diese Möglichkeiten werden nur von freier Software bereitgestellt.
Unterstützt ein Geldgeber wissenschaftliche Forschung, so verlangt dieser, dass die erzielten Ergebnisse ihm im Anschluss zur Verfügung stehen. Dieser einfache Grundsatz sollte auch für öffentliche Geldgeber gelten. Öffentlich finanzierte Forschung muss also unter einer Lizenz publiziert werden, die der Öffentlichkeit freien Zugang erlaubt. Solche Lizenzen dürfen auch keinerlei Beschränkungen bezüglich Verwendbarkeit der Ergebnisse vorschreiben, müssen also in gleicher Weise frei sein wie es freie Software ist. Solch freie Lizenzen, wie zum Beispiel bestimmte Creative Commons Lizenzen, stehen bereits zur Verfügung, und jede öffentlich finanzierte Forschung sollte unter einer solchen Lizenz als OpenAccess-Publikation veröffentlicht werden.
In Anbetracht der vorangegangenen Argumentation formulieren wir folgende Maßnahmen, die in unseren Augen notwendig sind:
Wir sprechen uns dafür aus, dass sich die Dresdner Hochschulen in den Bereichen Forschung und Lehre zur bevorzugten Nutzung von freier Software bekennen.
Wir fordern, dass sich die Dresdner Hochschulen zur konsequenten Verwendung von offenen Dateiformaten bekennen.
Wir fordern, dass für alle Studenten und Mitarbeiter unabhängig von der verwendeten Software die Möglichkeit besteht, über verschlüsselte Kanäle mit Verwaltungseinrichtungen zu kommunizieren.
Wir wünschen uns, dass die Dresdner Hochschulen aktiv die Entwicklung freier Software fördern und die frei gewordenen Mittel sinnvoll zur Erstellung und Wartung von freier Software genutzt werden. Um diese Entwicklung auch wissenschaftlich attraktiv zu machen, fordern wir die Dresdner Hochschulen auf, sich dafür einzusetzen, dass im Laufe von wissenschaftlicher Arbeit erstellte, freie und publizierte Software als wissenschaftliche Leistung anerkannt wird.
Wir fordern, dass die Dresdner Hochschulen sich stärker im Bereich von OpenAccess-Publikationen einbringen und die Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek in diesem Punkt stärker unterstützen. Insbesondere sollen sie Mitarbeiter dazu ermuntern und dabei fördern, ihre Arbeiten unter solchen Lizenzen zu veröffentlichen. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, wenn die Dresdner Hochschulen zum Beispiel in einer übergreifenden Initiative Druck auf Verlage ausüben, damit diese ihre aktuelle Art und Weise, Forschungsergebnisse zu publizieren, entsprechend ändern.